100 Jahre Freistaat Bayern
100 Jahre wird der Freistaat in diesem Jahr – und es war ein Sozialdemokrat, der ihn ausgerufen hat: Am 8. November 1918 erklärte Kurt Eisner, die Monarchie sei abgesetzt und Bayern fortan ein Freistaat. Grund genug für die SPD-Landtagsfraktion und die Landtagsabgeordnete Alexandra Hiersemann, zu einem Empfang auch in Erlangen einzuladen.
Franz Schindler, Vorsitzender des Rechts- und Verfassungsausschusses des Landtags, zeichnete in einem fulminanten Vortrag die Entstehung und die weitere Geschichte des Freistaats nach. Er stellte heraus, dass Kurt Eisner keineswegs, wie viele Jahre behauptet, ein linker Spinner gewesen sei; vielmehr sei es ihm darum gegangen, am Ende des Ersten Weltkriegs und beim Sturz der Monarchien einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Er habe versucht, linke Revolutionäre, reformistische Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und die Vertreter der bisherigen Ordnung zusammenzuhalten Seine Ermordung im Februar 1919 durch einen rechtsradikalen Attentäter habe dann aber doch diese Eskalation ausgelöst – und in Folge der Niederschlagung der Münchner Räterepublik entstand dann die „Ordnungszelle Bayern“, in der der Nationalsozialismus heranwuchs.
Schindler zeichnete nach, wie diese erste bayerische Republik scheiterte – an „zu wenig Republikanern“. Zu lange habe man die Bedrohung durch den Nationalsozialismus ignoriert. Als er dann an die Macht kam, seien es wieder – und nur – die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gewesen, die nicht nur im Reichstag mit der berühmten Rede von Otto Wels, sondern auch im bayerischen Landtag gegen die Ermächtigungsgesetze gestimmt hätten. Die bürgerlichen Parteien hätten sich das nicht getraut in der Hoffnung, dann weiter bestehen zu können – was sich als Irrtum erwies –, die Kommunistische Partei war zum Zeitpunkt der Ermächtigungsgesetze schon verboten.
Nach der Katastrophe des „Dritten Reichs“ und des zweiten Weltkriegs war es dann wieder ein Sozialdemokrat, der den Freistaat Bayern prägte: Wilhelm Hoegner kam mit dem Entwurf einer Verfassung aus dem Schweizer Exil zurück, die er als Grundlage in die Beratungen der verfassungsgebenden Versammlung einbrachte. In ihr gingen, aus den Erfahrungen des Zusammenbruchs der ersten Republik, des Krieges und der Nachkriegszeit viele soziale Grundrechte ein: Der „Schwammerlparagraph“, der das Sammeln von Pilzen oder Holz in Wäldern erlaubt, sei zum Beispiel aus der Not der Nachkriegszeit entstanden, wo man sich gar nicht anders habe helfen können. Das Recht auf Wohnen, auf auskömmliche Arbeit, auf Bildung unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Geschlecht sei in der Verfassung verankert worden. Und so präge sozialdemokratisches Denken bis heute die Verfassung des Freistaats – auch wenn die SPD nun schon 60 Jahre Opposition sei.
Für mich gibt es aus der Geschichte des Freistaats zwei zentrale Erkenntnisse. Zum einen: Demokratie bleibt nicht von selbst. Wenn es zu wenige gibt, die sie verteidigen, dann kann sie zusammenbrechen. Das zeigt die Erfahrung der ersten, gescheiterten bayerischen Republik. Und schaut man sich weiter an, woran diese gescheitert ist, erkennt man auch: Nur mit sozialem Ausgleich gibt es gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn Einkommen und Vermögen zu weit auseinanderklaffen, wenn einige ganz viel und andere fast nichts besitzen: Dann beginnt die Demokratie zu wackeln. Und gerade erleben wir, wie sich die Verhältnisse auseinanderentwickeln. Zeit, dagegenzusteuern: Für unsere Demokratie!