„Fatal wäre, wenn dieses Gesetz in die falschen Hände geraten würde“ – Veranstaltung zum Polizeiaufgabengesetz
Auf eine gemeinsame Einladung von Alexandra Hiersemann, der Landtagsabgeordneten aus Erlangen-Höchstadt, und mir sprach Franz Schindler, Vorsitzender des Rechts- und Verfassungsausschusses, zum Polizeiaufgabengesetz und der Sicherheitspolitik im Freistaat Bayern. Spontan konnten wir auch noch einen weiteren Diskussionsteilnehmer auf dem Podium begrüßen: Horst Arnold, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Spitzenkandidat der SPD in Mittelfranken.
Das Fazit von Franz Schindler zum Polizeiaufgabengesetz lautete: „Es wäre fatal, wenn dieses Gesetz in die falschen Hände geraten würde.“ Die massive Ausweitung der Polizeibefugnisse weit in das Vorfeld einer möglichen Straftat mit einem vagen und schwammigen Begriff der „drohenden Gefahr“ böte vielfältige Interpretationsmöglichkeiten, wann denn nun die Polizei handeln und zum Beispiel Computer und Telekommunikation überwachen, Aufenthaltsgebote erlassen oder auch Menschen in Gewahrsam nehmen dürfe. Diese Möglichkeiten seinen missbrauchsanfällig – eine Regierung zum Beispiel mit rechtspopulistischer Beteiligung könne diese Befugnisse nutzen, um Handlungsmöglichkeiten politischer Gegnerinnen und Gegner einzuschränken.
Zwar gebe es dazu Kontrollmechanismen: Franz Schindler wies ausdrücklich darauf hin, dass anders als oft behauptet zum Beispiel für eine längere In-Gewahrsam-Nahme ein richterlicher Beschluss notwendig sei und es natürlich zulässig sei, einen Rechtsanwalt einzuschalten (es allerdings keinen Anspruch auf eine Pflichtverteidigung gebe). Der vage Begriff der „drohenden Gefahr“ sei aber auch für Richterinnen und Richter schwer zu interpretieren, im Zweifel müssten sie sich auf die Gefahreneinschätzung der Polizei verlassen. Diese Schwierigkeiten unterstrich in der anschließenden Diskussion auch Horst Arnold, der vor seiner Wahl in den Landtag selbst als Staatsanwalt und Ermittlungsrichter tätig war.
Franz Schindler stellte auch dar, dass die „Sicherheitsarchitektur“ der Bundesrepublik grundsätzlich trenne: Die Polizei sei zuständig für die Aufklärung von Straftaten – als ausführende Behörde der Staatsanwaltschaft – und für das Verhindern konkret bevorstehender Straftaten. Die Abwehr vagerer Bedrohungen, aus denen irgendwann Straftaten werden könnten (also die Gefahrenabwehr), obliege dem Verfassungsschutz. Diese Trennung werde zunehmend aufgeweicht. Sie sei aber sinnvoll, weil verdeckte Operationen, wie sie oft in der Gefahrenabwehr eingesetzt würden, und offene Operationen, wie sie eigentlich die Polizei in der unmittelbaren Verhinderung von Straftaten durchführe, ganz andere Herangehensweisen und Arbeitsstrukturen benötigten.
Es brauche, so Franz Schindler weiter, eine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Selbstverständlich sei Sicherheit zu gewährleisten – und Bayern sei ja auch ein sehr sicherer Staat –, aber Bürgerinnen und Bürger müssten auch wissen, dass ihr ganz alltägliches Handeln nicht überwacht werde. Das Polizeiaufgabengesetz aber verschiebe diese Balance: Es sei geprägt davon, dass der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern misstraue und sie grundsätzlich für potenzielle Straftäterinnen und Straftäter halte, die man daran hindern müsse, kriminell zu werden.
Viel mehr als die Ausweitung der Polizeibefugnisse sei es für ein höheres Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger notwendig, dass die Polizei mehr präsent sei und auch bei kleineren „Alltagsdelikten“ und -Problemen kurzfristig einschreiten könne.
Für mich hat auch dieser Abend wieder bestätigt: Das neue Polizeiaufgabengesetz ist der falsche Weg. Wie Franz Schindler, Horst Arnold und Alexandra Hiersemann glaube auch ich, dass für ein höheres Sicherheitsempfinden der Menschen – objektiv geht die Kriminalität ja zurück – vor allem mehr Präsenz der Polizei „auf der Straße“ nötig ist.
Und daneben brauchen wir in der Gesellschaft einen offenen Diskurs über das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit. Dass sich so viele Menschen an der Diskussion um das Polizeiaufgabengesetz beteiligt haben, macht Hoffnung, dass das Potential für einen solchen Diskurs da ist.